
Demre - die Stadt des
historischen Nikolaus
Als kleine Einführung in das Thema
möchte ich die folgende Geschichte voranstellen:
Neulich besuchten wir ein Restaurant in Kemer. Am Nachbartisch
saß eine deutsche Familie und machte Pläne für einen Ausflug.
Der Dialog ging etwa:
Papa: Wir könnten ja mal nach Demre fahren.
Sohn: (ca. 10 Jahre): Was gibt's denn da?
Papa: Da hat früher der Nikolaus gelebt.
Sohn: Quatsch, Papa, ich glaub doch nicht mehr an
den Weihnachtsmann!
Mama: Nicht der Weihnachtsmann, der Nikolaus!
Sohn: Was ist denn da für ein Unterschied...?
Mama: Na, der Nikolaus, der kommt doch immer am
6. Dezember, das ist der mit den Schuhen!
Sohn: Blödsinn, das seid ihr doch, die da was in
die Schuhe tun! ...
Ich weiß nicht, wie diese Planung ausging und ob die Familie
dann hin gefahren ist, aber Demre (100 km von Kemer entfernt) hat
tatsächlich etwas mit dem Nikolaus zu tun. Die Stadt und ihre
Umgebung hat aber noch mehr zu bieten: Die Ruinen des antiken
Myra mit dem Theater, den beeindruckenden Felsengräbern und seit
2010 auch einer neu ausgegrabenen christlichen Kapelle aus dem
11. oder 12. Jh. nach Chr., sowie den Hafen Andriake, den die
meisten Touristen nur als Startpunkt ihrer Bootsfahrt sehen.
Hier zuerst in Kürze etwas zum
Nikolaus.
Wer
ausführlichere Hintergründe über die Geschichte des Heiligen
erfahren möchte, dem seien die
folgenden Webseiten empfohlen:
Nikolaus von Myra und
Wikipedia-Nikolaus:
Danach ist der legendäre Nikolaus
eine Verschmelzung aus zwei Personen, dem Bischof Nikolaus von
Myra, der wahrscheinlich im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Lykien gelebt hat
und und Nikolaus, Abt von Sion, der Bischof in Pinora war und am
10. Dez. 564 in Lykien starb. Aus diesen beiden historischen
Personen wurde im 6. Jahrhundert die fiktive Gestalt des
wundertätigen und übermächtigen Bischofs von Myra, um den sich
zahlreiche Geschichten und Mythen ranken. So die Legende von
den drei Jungfrauen, deren Vater sie an ein Bordell verkaufen
wollte, da er sich keine Mitgift für die drei Töchter leisten
konnte. Nikolaus soll davon gehört haben und ihnen drei Beutel
Gold (drei Bälle, die sich später in Gold verwandelten…) durch das
Fenster geworfen haben. So hatten sie nun eine angemessene Mitgift und
konnten ehrbar verheiratet werden. Aus diesen und ähnlichen
Legenden entwickelte sich die Rolle des Heiligen Nikolaus als Geschenkebringer
für die Kinder. Gefeiert wurde (und wird) das Fest des Heiligen
Nikolaus an seinem angeblichen Todestag, dem 6. Dezember, das
ist auch der Namenstag für alle die Nikolaus heißen.
Vermutlich im 5. Jh. wurde über dem
Grab von Bischof Nikolaus in Myra eine erste Kirche erbaut, die
sich bald zur Pilgerstätte entwickelte. Pilgerreisen kann man
als heilsamen
Tourismus des Mittelalters bezeichnen. Man erhoffte sich Heilung von
allerlei Leiden, Hilfe bei Kinderlosigkeit oder Vergebung der
Sünden. Die Wundertätigkeit der Heiligen übertrug sich auch auf
Reliquien, z.B. die Knochen derselben, ein Splitter vom Kreuz
und was man sich noch so alles an frühem christlichen Merchandising denken
konnte. Kirchen und Klöster wetteiferten um die wundersamsten
Reliquien. So kam es denn, dass im Jahre 1087 Kaufleute und/oder
Piraten (was machte damals wohl den Unterschied aus ??) der italienischen Stadt Bari die sterblichen
Überreste des Nikolaus aus Myra stahlen und in ihre Heimatstadt
brachten. Bari hatte nun eine neue Pilgerattraktion. Die einst
populäre Kirche in Myra versank in den folgenden Jahrhunderten
im Schwemmsand und wurde unbedeutend.
Traditionell wurde der Nikolaus in
seiner Bischofstracht mit langem Mantel und der spitz
zulaufenden Bischofsmütze dargestellt. Doch wie wurde aus dem
Bischof Nikolaus der fröhlich- dicke Weihnachtsmann mit Rauschebart und
dem rot-weißem Outfit? Durch die Reformation im 16. Jh.
(Stichwort Luther) wurde in
den protestantischen deutschen Ländern die Vielzahl der Heiligen
abgeschafft. Sie passten nicht mehr in das aufgeklärte
Weltbild. Die Geschenke für die Kinder brachte nun das
Christkind am 24. oder 25. Dezember. Das konnte sich aber nicht
in allen Ländern durchsetzen, so blieb es in den Niederlanden
beim Sinta Klaas, der weiterhin am 6. Dezember Geschenke bringt.
Der schaffte dann auch den Sprung nach Amerika, wo er als Santa
Claus in der Nacht zum 25. Dezember die Geschenke durch den
Schornstein in am Kamin aufgehängte Strümpfe wirft. Santa Claus
trug einen roten (Bischofs-) Mantel, aber sein heute weltweit
bekanntes Aussehen erhielt er 1939 vom Coca-Cola-Werbedesigner, Haddon
Sundblom. Mit dieser Figur wird für Coca-Cola und inzwischen
auch für eine Vielzahl, nicht unmittelbar damit verbundener
Sachen (Bausparkasse,
Bahnfahrkarten, etc.), Werbung gemacht. So ist es nur konsequent, wenn die
Stadtväter der türkischen Kleinstadt Demre, in deren
Stadtzentrum die Grabeskirche des Bischofs Nikolaus von Myra
liegt, eine von russischen Schulkindern gestifteten Bronzestatue
des Bischofs (für unseren Geschmack gut an historische Vorbilder
angepasst) wieder vom Sockel nehmen ließen und statt derer eine
Plastik-Statue des Coca-Cola Santa Claus aufgestellt haben. Sie machten
damit jahrelang Reklame für die Stadt des Weihnachtsmannes und
erklärten, dass die Welt den Weihnachtsmann schließlich
so kennen würde. Ein neuer Kultur- und Tourismusminister machte
dem Treiben schließlich ein Ende und ließ einen türkischen
Künstler eine neue Statue für den Sockel erstellen. Diese Statue
erinnert uns eher an einen russischen Bauern als an einen
mediterranen kirchlichen Würdenträger, aber vielleicht trifft es
den Geschmack der größten Besuchergruppe.
Der legendäre
Bischof Nikolaus galt schon immer als sehr tolerant, wie sonst lässt sich seine Popularität über 1500 Jahre und in allen
christlichen Ländern erklären? Denn er wird nicht nur in der
katholischen sondern auch in der orthodoxen Kirche als Heiliger
verehrt. Da kratzt es ihn sicherlich wenig, ob er sich nun von
Wolke Nummer sieben herab, Glöckchen-schwingend Reklame für
Coca-Cola machend, als Bischof auf einer Weltkugel balancierend
oder als russischer Bauer in Kniebundhosen sieht. Inzwischen
soll das jüngste Denkmal seit Jahren in irgendeinem Depot
verschwunden sein.
Die Nikolausstatue auf dem Vorplatz
der Kirche in Demre im Wandel der Zeiten
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vor 2005 |
2005-2008 |
nach 2009 |
Der russische Zar Nikolaus I ließ
ab 1853 die Kirche in Myra / Demre wieder aufbauen, wobei die
ursprüngliche Kuppel durch ein Kreuzgratgewölbe ersetzt wurde. Heute
finden in Demre Ausgrabungen und Restaurierungsarbeiten durch die
Universität Ankara in Zusammenarbeit mit der Museumsverwaltung
in Antalya statt. Dabei wurden unter anderem mehrere alte
Wandgemälde freigelegt. Unsere Bilder der Kirche (rechte Seite)
sind von März 2005. Am 6. Dez. 2006 sind wir ganz kurz entschlossen nach Demre gefahren. Unser Dank gilt dem
Landtagsabgeordneten Ramazan KARATAS, der es uns ermöglichte, an
einem Teil der offiziellen Feierlichkeiten zum Nikolaustag
teilzunehmen.
Hier unser Bericht mit Bildern
Wenige Tage vor unserem Besuch Anfang Dezember 2006 hatte man bei
Bauarbeiten im Flussbett von Demre sechs vollständige Sarkophage
gefunden. Ein Bagger hatte einen Sargdeckel zur Seite geschoben
und einem Mitarbeiter war aufgefallen, dass der Stein antik sein
könnte. Auf einem Sarkophag befindet sich auch eine recht
deutlich lesbare Inschrift, unsere Stammleser mit
Griechischkenntnissen sind dafür gefragt.
Inzwischen sind Jahre
vergangen, die Sarkophage wurden geöffnet und der Inhalt von
Fachleuten ausgewertet. Es fanden sich wohl Knochen aber kein
Gold, nach Ansicht der Einheimischen waren die Särge also
"leer". Archäologen dürften das etwas anders sehen. Zwei der
Sarkophage stehen jetzt im Eingangsbereich zur Nekropole in
Myra.
Am 6. Dezember 2008 haben wir die
Kirche in Demre wieder einmal besucht, hier gibt es die
neuen Bilder in einer Diashow. Inzwischen heißt die Kirche
offiziell "Noel Baba Müzesi" (Weihnachtsmann-Museum). Trotzdem
durfte mit Ausnahmegenehmigung unter besonderer Beobachtung
vieler Herren in dunklen Anzügen am Nikolaustag früh morgens ein
orthodoxer Gottesdienst stattfinden. In den Jahren seit 2005 gab
es durch die andauernden Arbeiten zur Restauration der Kirche
einige Veränderungen. Zahlreiche Fresken wurden neu freigelegt
und aufgearbeitet, so dass sie jetzt fast "wie neu" aussehen.
Der angebliche Sarkophag des Hl. Nikolaus wurde durch eine
Glasplatte geschützt, da zu viele Besucher dort brennende Kerzen
aufgestellt haben, die durch Wachs und Ruß den alten Stein
beschädigten. Fachleute meinen übrigens, dass der wirklich Sarg
des Nikolaus eher eine schlichte Steinkiste in einer Nische
hinter dem Altarraum wäre, aber touristisch bietet der verzierte
Sarg mit dem Halbrelief einer liegenden Person natürlich viel
mehr.
Die örtlichen Reiseveranstalter
in Kemer boten früher Tagestouren zusammen mit Besichtigung der lykischen Felsengräber
und des Theaters, einer Bootsfahrt zur versunkenen Stadt Kekova
und Mittagessen je nach Saison ab 20 Euro an, ich weiß aber
nicht, ob es diese Angebote heute noch gibt. Der Eintritt in
die Nikolauskirche war dann extra zu bezahlen.
Wer sich lieber auf eigene Faust
auf den Weg macht, muss für Mietwagen und Sprit mindestens 60-70
Euro rechnen (ca. 220 km hin und zurück). Man fährt die D-400
nach Süden über Kumluca und Finike nach Demre. In Demre sind
"Noel Baba" (die Kirche) und "Myra" (das Theater und die
Felsengräber) recht gut ausgeschildert. Nach dem Besuch der
Kirche kann man sich in einem der kleinen Lokantas in den
umliegenden Seitenstraßen sein Mittagessen selbst
zusammenstellen, einfach in die Töpfe gucken und zeigen, was man
gerne essen würde. Es lohnt sich durchaus ein paar Schritte von
den Touristen-Abfütterungsstellen wegzugehen.
Der zweite Stopp auf der Tour
durch Demre ist am antiken Theater und den Felsengräbern, den
sichtbaren Resten der antiken Stadt Myra. Dazu gibt es
hier im Rahmen unserer Diashows zu
antiken
Stätten 36 Bilder zu sehen. Am Bühnenhaus des Theaters
hingen früher Theatermasken, Steinköpfe mit verschiedenen
Gesichtsausdrücken, die sich aber doch alle irgendwie ähneln.
Ich habe aus meinen Fotos der im Gelände verstreut stehenden
Köpfe ein kleines Spiel nach Art des "Memory" gebastelt. Wer
schafft es ohne zu Schummeln?
Zum Steinköpfe-Spiel
Zu den neueren Ausgrabungen in
Myra und dem Hafen Andriake gibt
es jetzt eine Extra Seite von uns.

Einige Bilder zur Nikolauskirche im Jahr 2022

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