
Dorfhochzeit in Kuzdere
Am 9. Juni 2007 hatten wir wieder
einmal die Gelegenheit an einer echten Dorfhochzeit in Kuzdere
teilzunehmen. Wir werden ja öfters zu solchen feierlichen
Anlässen eingeladen. Das ist für uns ein Maßstab, dass wir im
Dorf zumindest akzeptiert werden. In diesem Fall kenne ich die
Braut schon seit Jahren, ist sie doch die Tochter unseres
guten Freundes Turhan Anatürk. Vor ein paar Jahren lief sie noch
in Schuluniform durchs Dorf und nun ist sie eine hübsche junge
Ehefrau geworden.
Gefeiert wurde auf dem Schulhof
der Dorfschule. Ich hatte Turhan bey gefragt, warum man denn
nicht im Hochzeitssalon von Kemer feiert? "Der Platz würde ja
nicht mal für die Frauen ausreichen!" meinte er. (In den
Hochzeitssalon passen 'nur' 1500 Personen.) Schließlich hatten
man 5000 Einladungen drucken lassen. Die Familie Anatürk
ist eine in Kuzdere alteingesessene Familie und so ziemlich mit
allen hiesigen Familien verwandt, verschwägert oder sonst wie
verbandelt, da möchte man ja keinen vergessen.
Aus der gesamten Region Kemer, von
Beldibi bis Tekirova,
wurden Stühle herbeigeschafft, um den zahlreichen Gästen
Sitzmöglichkeiten anzubieten. Das war übrigens alles, was den
Gästen (außer Musik und schönem Wetter) angeboten wurde. Die Feiern mit Essen und
Trinken finden im kleineren Familienkreis statt. Man kommt zu
solchen Hochzeiten nach dem Abendessen und bringt sich an heißen
Tagen auch eine Flasche Wasser oder Saft mit. Sehen und gesehen
werden ist das Motto derartiger Großveranstaltungen.
Obwohl die Feier nicht nach
Geschlechtern getrennt stattfand (auch solche Hochzeiten gibt
es, wo Männer und Frauen jeweils an verschiedenen Orten feiern)
bildeten zahlreiche Männer nach alter Sitte einen eigenen Block
an der einen Seite. Der mittlere Teil direkt vor der Tanzfläche war
mehr den Frauen und Kindern vorbehalten, einzelne Familienväter
(und Großväter) wirkten in dem bunten Gewoge etwas verloren.
Ab 19 Uhr kamen die ersten Gäste,
doch richtig voll wurde es erst nach Einbruch der Dunkelheit.
Wer dem Brautpaar eine besondere Ehrerbietung zukommen lassen
wollte, hatte ein hier übliches Blumengesteck anliefern lassen. Diese auf
hölzernen Gestellen befestigten Gestecke werden hier zu allen
möglichen Anlässen wie Geschäftseröffnungen, Hochzeiten aber
auch Beerdigungen aufgestellt. Ein sehr kurzlebiges Vergnügen,
denn schon während der Feier rupften Kinder fast alle Blumen aus
den Gestecken und schenken sie der Schwester, Mutti, Oma oder
streuten die Blüten auf die Tanzfläche.
Die Eltern der Brautleute bauten
sich am Eingang zum Schulhof auf und begrüßten die eintreffenden
Gäste. Unterstützt wurden sie dabei von je zwei Trommlern und
Pfeifern, die besondere Ehrengäste auch bis zu ihren Sitzplätzen
geleiteten. Es ist immer wieder überraschend, welche Lautstärke diese
fast unscheinbaren Instrumente entwickeln können.
Da der Brautvater Turhan Anatürk
aktiv in der Lokalpolitik ist (er ist Abgeordneter im Landtag
von Antalya und möchte bei den Lokalwahlen 2009 für das Amt des
Bürgermeisters von Kemer kandidieren) waren auch hochrangige
Politer aus der Provinz Antalya unter den geladenen Gästen. Für
sie hatte man extra ein Block mit geschmückten Stühlen als
"Protokoll-Plätze" aufgestellt. Als dann die Ehrengäste
eintrafen, ging ein Raunen durch die Menge: Sogar der
Staatsminister und Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Mehmet
Ali Sahin, gab dem Brautpaar die Ehre und fungierte später auch
als Trauzeuge für die Braut.
Die standesamtliche Trauung fand
direkt anschließend unter den Augen der mittlerweile etwa 3000
Gäste vor dem Hauptportal der Schule statt. Laut und deutlich
antworteten zuerst die Braut und dann der Bräutigam auf die
Frage des Standesbeamten in rotem Talar, ob sie aus freiem
Willen usw. usw. die Ehe eingehen wollten, mit "Evet!" (Ja). Das
Gedränge der Journalisten, Sicherheitsbeamten und Angehörigen
des Brautpaars rund um den Tisch, an dem die wichtigen
Unterschriften geleistet wurden, war enorm. Trotzdem gelang es
Joe, über alle Köpfe hinweg, auch ein paar detailreiche exklusive Fotos zu
schießen.
Nachdem so der Form Genüge getan
war, konnte die eigentliche Feier beginnen, das Brautpaar
eröffnete den Tanz mit einem langsamen Walzer und so nach und nach
gesellten sich auch weitere Tanzlustige zu ihnen, allen voran
der Brautvater Turhan bey. Die politischen Ehrengäste hatten
noch weitere Termine und der ganze Block brach bald wieder auf.
Nun verteilten sich auch die Dorfbewohner und von nah und fern
angereisten Verwandten im "Protokoll-Block". Eine live Band
spielte türkische Tanzmusik, später trat auch noch eine
Folklore-Tanzgruppe aus dem Nachbarort auf. Bis gegen
Mitternacht dauerte das bunte Treiben auf dem Schulhof.
Die Braut kehrte an diesem Abend
noch ein letztes Mal in ihr Elternhaus zurück. Erst am folgenden
Tag fand am Vormittag das feierliche "Abholen der Braut" vom
Elternhaus statt und wieder begleitet von Freunden und
Verwandten wurde sie in ihr neues Heim gebracht. Inzwischen ist
das Brautpaar für ein Paar Tage auf Hochzeitsreise in Alanya.
Wir wünschen Nazan und Süleyman alles Gute für die gemeinsame Zukunft.
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