23. Deutsch-Türkisches
Journalistenseminar
Vorab möchten wir uns bei der
Konrad Adenauer Stiftung für den freizügig gewährten
"Gaststatus" bedanken, der uns für die Teilnahme am 23.
Deutsch-Türkischen Journalistenseminar (4. und 5. Juni 2009 in
Göynük) eingeräumt wurde. Das angekündigte Thema "Die Türkei
zwischen aktuellen Herauforderungen und historischem Erbe" hatte
unser Interesse außerordentlich geweckt. Es ergab sich die
einmalige Gelegenheit unsere eigenen Erfahrungen mit dem Leben
in der Türkei durch Informationen aus berufenem Munde türkischer Experten aktuell zu
erweitern. Aus der
Liste der hochkarätigen Referenten kann man
den Wert dieser Informationen ermessen.
Ich selber (Joe) habe über 12 A4-Seiten
an Mitschriften angefertigt. Da wir mit unserer
Berichterstattung auch sonst schon als "detailverliebt" und sehr
"textlastig" gelten, will ich nur einen kurzen Überblick geben
und ein paar Schlussfolgerungen darlegen, selbstverständlich aus
unserem persönlichen Blickwinkel heraus betrachtet.
Natürlich stehen auch wir noch
unter dem Einfluss der kürzlich stattgefundenen Kommunalwahlen
in der Türkei. (Siehe auch
hier) Die daraus
entstehenden Konsequenzen, die in einer umfangreichen
Kabinettsumbildung endeten, welche faktisch einer
Regierungsneubildung gleichkam, konnten wir nicht voraussehen.
Ich erwähne das, weil wir einen der alten Minister auf seinen
Wahlkampftouren persönlich
kennen gelernt haben. Allerdings konnte er in seinem Wahlkreis
den Sieg für seine Partei nicht erringen. Im neuen Kabinett war
er dann nicht mehr als Minister vertreten.
Auf dem Seminar wurden
außenpolitische Aspekte unter der Besonderheit der "Zero-Problems-Philosophie" des neuen Außenministers und des
Auftretens der Türkei im Rahmen internationaler Veranstaltungen
bewertet. Probleme des Nahostkonfliktes wurden als "multilateral
unbefriedigend behandelt" dargestellt. Die EU als wirtschaftlich
mächtig erweist sich dabei als kaum handlungsfähig und muss den
USA die Führungsrolle überlassen.
Es wurden die Ergebnisse aus
wissenschaftlichen innenpolitischen Studien und Untersuchungen
vorgelegt. Soziale Zusammenhänge wurden im Kontext mit der
aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation analysiert.
Bei der Diskussion zum Thema über eine etwaige
"Nachbarschaftskontrolle" klingen uns Deutschen natürlich
die Ohren, zumal wenn man weiß womit in Deutschland einstmals
die "Blockwarte" betraut waren. Da ist man dann bei den
Beiträgen zu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in beiden
Ländern besonders sensibilisiert.
Die Fragen in Zusammenhang mit dem
Beitritt der Türkei zur EU wurden besonders heftig und
kontrovers diskutiert. Es wurde eine "Reformmüdigkeit"
konstatiert, die diesen Prozess verlangsamt. Gleichzeitig wurde
dargelegt, dass das Aufnahmeverfahren nicht von populistischen
Aussagen einzelner EU-Politiker abhängt.
Breiter Raum wurde den Problemen
bei der Erweiterung der Verfassungsgerichtsbarkeit in der Türkei
eingeräumt. Für mich als juristischen Laien, klang die Suche
nach Vorbildern dafür in Modellen aus südamerikanischen Ländern
doch sehr befremdlich und ich konnte der Diskussion nur schwer
folgen. Anhand der jährlichen Zahlen für die vom deutschen
Verfassungsgericht abgewiesenen, angenommenen und behandelten
Fälle, wurde deutlich, was dafür noch an neuer Infrastruktur zu
schaffen ist.
Ein weiteres Thema war die
Medienkompetenz und die Überflutung mit Nachrichten. Ja, auch ich
stimme zu, es gibt eine Überflutung mit Informationen, denn die
"Landschaft" der Medien treibt kaum überschaubare Blüten und es
ist im Zeitalter des Internets ziemlich schwer geworden, die
wichtigen und dabei objektiv vertrauenswürdigen Informationen zu
selektieren. Damit auch ich diesem Wahn nicht verfalle, komme ich
zum Ende.
Einige Schlussfolgerungen, in
Zusammenhang mit persönlichen Erfahrungen aus Deutschland und
der Türkei sowie der Beobachtung der aktuellen internationalen
Situation, möchte ich dennoch anfügen:
1. Der Besitz des "richtigen"
Parteibuchs ist nirgends alleinig hinreichend für fachliche
Kompetenz und/oder politische Akzeptanz
2. Der von einem deutschen
Journalisten aufgestellten Behauptung "eine Zeitung mache keine
Politik" muss ich widersprechen
3. Die zum wiederholten Male
gehörte Forderung "Die Türkei müsse ihre Hausaufgaben machen"
klang in meinen Ohren doch arg abgedroschen, zumal es um
eingegangene ernsthafte internationale Verpflichtungen geht
4. Der Ausgang der Wahlen zum
EU-Parlament spricht kaum für eine schnelle Erweiterung der
Union
5. Es gibt keinen Fortschritt
wenn man vor Forderungen an sich selbst zurückschreckt und
manche immer noch "gleicher als gleich" sind
6. In der Agenda der neuen
EU-Ratspräsidentschaft (01.07.2009, Schweden) steht die
EU-Erweiterung, trotz hochgesteckter Erwartungen, nicht auf den
vorderen Plätzen
7. Für mich schien abermals
auffällig, dass den Kollegen der schreibenden Zunft die
ungezügelte und dabei höchst zweifelhafte Eigendynamik des
"zwitschernden" und "röhrenden" Internets noch nicht richtig
bewusst geworden ist. Wer Medienkompetenz für sich beanspruchen
will muss den wesentlichen Fragen der journalistischen
Sorgfaltspflicht nachkommen.
Wer mehr Details verträgt,
sei auf die
Veröffentlichungen der Konrad Adenauer Stiftung verwiesen.
In unseren lokalen Medien fand das Seminar, trotz vorbereitender
Hinweise, leider keinerlei Resonanz.
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