
So lebt es sich in Kemer – 2. Teil

Es hat sich ja mittlerweile bei
uns im Dorf rumgesprochen, dass in unserem Haus Joe der Koch ist
(manchmal brutzelt er auf der Dachterrasse, damit nicht das
ganze Haus z.B. nach Fisch riecht). Anfangs sorgte das für
einige Aufregung bei der männlichen Nachbarschaft:
Fragt Nachbars Töchterlein (10)
als sie Joe in der Küche sieht: „Joe, was machst du da?“
- „Ich mache das Essen,“ darauf
die Kleine: „Ich hab meinen Papa noch nie in der Küche gesehen!“
Noch schlimmer ist es, wenn man
mich draußen Rauchen sieht (in unserem Haus herrscht
Rauchverbot) und Joe sich gerade „hausfraulich“ betätigt. Das
war der Anlass für Joes Story, warum er immer noch nicht so gut
Türkisch spricht:

Ich stehe also an der Gartentür
und rauche, Joe hat irgendwelchen Dreck auf der Treppe zur
anderen Haustür gesehen, nimmt einen türkischen Reisigbesen und
kehrt in gebückter Haltung die Treppe. Da kommt unsere
Lieblingsnachbarin vorbei, sieht zuerst den putzenden Joe und
dann mich (faule Hausfrau) genüsslich rauchen.
„Ina, dein Leben ist ja so leicht,
der Joe, der kocht nicht nur, der putzt sogar!“ (Ja, davon kann
eine türkische Bauersfrau nur träumen!) „Wenn der Joe
jetzt auch noch so gut Türkisch sprechen könnte wie du, damit
wir uns mit ihm auch so leicht unterhalten könnten, dann wäre er
perfekt!“

Daraufhin ich: „Wenn der Joe
Türkisch lernen würde, dann würde er womöglich wie ein
türkischer Mann werden, und nichts ist mehr mit kochen und
putzen!“
Lachend stimmte sie mir zu und
seitdem können wir verständlich erklären, warum Joe nicht so gut
Türkisch spricht. Er selber meint dann manchmal, ich hätte ihm
damit ein Verbot zum türkisch Lernen erteilt, feines Alibi -
aber diese Sprache in seinem Alter noch fließend zu lernen ist
wohl doch zu viel verlangt. Natürlich beherrscht er die
gebräuchlichsten Wörter und Redewendungen, so dass er sich
überall verständlich machen kann.
Neulich hat mein Chefkoch auf dem
Markt erstmals kleine Einlege-Gurken entdeckt. Die wurden sofort
gekauft und Joe versuchte sich an sauren Gurken nach Art seiner
Großmutter. Sie waren zwar lecker, aber noch nicht so ganz wie
er es wollte. Es fehlte das richtige Gurkengewürz mit
Senfkörnern und so weiter.
Da kam der Anruf von Anne aus
Schneeberg gerade recht: „Ich habe ihre Webseite über Kemer
gelesen und die ist ja wirklich ganz toll! Sie schreiben, dass
Sie sich freuen, wenn Ihnen Besucher etwas aus Deutschland
mitbringen. Also wir kommen nächste Woche nach Camyuva und haben
noch Platz in den Koffern, was können wir Ihnen denn
mitbringen?“
Eigentlich habe ich es lieber,
wenn man mir eine E-Mail schickt, da bleibt mir mehr Zeit zum
Nachdenken, aber ich hatte ja Joes „Wunschzettel“ auf dem
Schreibtisch liegen. „Vielen Dank für das Lob. Also wir
bräuchten 5-mal Gurkengewürzmischung für Einlegegurken, außerdem
Liebstöckel gerebelt und Muskatblüte, nicht Muskatnuss. Dann
freut sich Joe immer über ein Sixpack Hefeweizenbier, es darf
auch das verpönte in den Plasteflaschen sein, das ist leichter
und die PET-Flaschen gehen im Koffer nicht kaputt. In Antalya
gibt es einen Duty Free Shop (24 Stunden geöffnet) für
ankommende Reisende, da ist auch noch das eine oder andere
Mitbringsel nett (ausdrücklich nicht beim Abflug oder im Flieger
kaufen!)…“

Ein paar Tage später war das
Gewünschte schon hier, nur die Muskatblüte haben sie nicht
gefunden (ist auch schwer zu kriegen). Jetzt konnte es an die
nächste „Gurken-Einlege-Mache“ gehen. Doch erst nach 10 Tagen
gab es mal wieder welche auf dem Mittwochs-Markt in Camyuva, das
Kilo für 1,50 YTL (etwa 0,85 Euro). Joe nahm diesmal gleich 3
Kilo, weil ich mir extra süß-saure Gurken gewünscht hatte.
Die Gürkchen wurden zwei Stunden
lang gewässert, gewaschen, die Enden abgeschnitten und dann in
einem Sud aus Wasser, Essig, Zwiebeln, Salz und den Gewürzen
aufgekocht und zwei Stunden ohne Feuer ziehen lassen. Dann
wurden sie noch einmal aufgekocht und ganz heiß in die
vorbereiten Gläser gefüllt. So kamen auch die Rollmops Gläser,
die Rainer neulich aus Berlin mitgebracht hatte, noch einmal zu
Ehren.
Nachdem die Gurken in den Gläsern
abgekühlt waren (gar nicht so leicht, bei 38 Grad im Schatten)
kamen sie in den Kühlschrank und dann am nächsten Abend die
ersten auf den Tisch. Ich kann Euch sagen, sehr lecker,
besonders zum Schinkenbrot! Wir genießen es sehr, durch die
Mitbringsel unserer Leser auch auf heimische Genüsse nicht
verzichten zu müssen.

Die Rollmöpse sind seinerzeit noch
am selben Abend, an dem sie bei uns ankamen, „verdunstet“. Daran
hat sich Joe noch nicht versucht, aber als Fischliebhaber kocht
er nicht nur Haifisch in weißer Dillsoße, sondern räuchert auch
sehr gern. Da beim Räuchern immer meine Lieblingssorten (Lachs
oder Forelle) mit dabei sind, spiele auch ich mit, natürlich nur
wenn man den Fisch noch mit Preiselbeer-Kompott (ebenfalls
mitgebracht) verfeinern kann.

Nun werden sich einige Leser
fragen, braucht man das im Ausland? Die wussten doch vorher,
dass es in der Türkei zum Beispiel kein Schweinefleisch gibt!
Richtig, eigentlich „braucht“ man es nicht, in der Türkei gibt
es ein reichhaltiges Lebensmittelangebot, die Auswahl an
frischem Obst und Gemüse auf den Wochenmärkten ist schier
unschlagbar. Notfalls könnte man sich auch an der
Feinschmeckertheke im Supermarkt ein 220g Stück alten Gouda für
9 Euro kaufen oder in Antalya deutsches Brot finden. Wer ein
paar Tage oder Wochen Urlaub macht, sollte sich ruhig voll auf
die türkische Küche einlassen, aber wenn man ständig hier lebt,
sehnt man sich doch nach gewohnten Dingen.
Ich habe von 1988-96 als Lehrerin
an der Botschaftsschule in Ankara gearbeitet und mich damals
ziemlich geärgert, dass Botschaftsmitarbeiter den
Diplomatenkurierdienst auch dafür nutzen durften, um in
Deutschland Kaffee (damals kosteten in Ankara 500g Jacobs
Krönung etwa 30 DM), Cornflakes (damals 250g Crunchy Nuts 15 DM)
und überhaupt alle möglichen Dinge des täglichen Bedarfs
(Hautcreme, Shampoo) zu bestellen. Das ging soweit, dass sogar
der Jahresbedarf Klopapier für die Schule per Möbelwagen aus
Deutschland kam, weil damals Klopapier (wie alle Papierwaren) in
der Türkei extrem teuer und von sehr minderer Qualität war.
Vieles hat sich in der Türkei
inzwischen sehr verbessert (besonders das Klopapier), aber als wir uns entschlossen, ganz in unser Ferienhaus zu
ziehen, war uns klar, dass wir einen eigenen Weg zur Versorgung
mit bestimmten Dingen finden müssten. Joe war aus der
„Ehemaligen“ das Leben in einem „Mangelstaat“ gewohnt und
zitiert gerne den Leitspruch „Versorgungsfragen sind politische
Fragen!“ - aber wir wollten es hier ja besser haben.

Im Zeitalter des Internets wurde
die eigene Webseite über Kemer für uns die richtige Basis, um
Besucher zu bitten, sich bei uns zu melden und Einkaufs-Wünsche zu
erfüllen. Schon sechs Wochen, nachdem wir im Sommer 2005 online
gingen, kam die erste Anfrage: „Was können wir euch mitbringen?“
- seitdem steht die Versorgungskette und der
„kulinarisch-politische“ Frieden ist gesichert! Und was wir
inzwischen alles auf diesem Weg bekommen haben! Nicht nur Wurst,
Käse, Schinken, Hefeweizenbier und Rotwein sondern auch
Hautcreme, Zahnpasta, Badeschuhe, Teebaumöl, Bohnenkraut,
Gurkengewürz, Puddingpulver und schließlich sogar einen
Räucherofen, einen neuen Scheinwerfer vorne rechts für unser
Auto, diverse Computerteile, die neue Kamera etc. pp.
Mir bereitet es auch immer wieder
eine Freude vor Ostern ein paar Zweige mit bunten Eiern zu
schmücken. Ne, ne wir wollen nicht missionieren, ist doch nur
ein lieb gewordener heidnischer Brauch aus der alten Heimat.
Inzwischen sind uns so viele zugeflogen, dass Joe etliche 2
m-Zweige ranschleppen muss, damit ich Platz für etwa 150 bunte
Plaste-Eier habe.
Eine Woge von Lebkuchen schlug
über uns zusammen, als ich 2006 vor Weihnachten erwähnte, dass
man uns Weihnachtsgebäck mitbringen sollte. Diesen Wunsch
konnten so viele Leser sehr gut verstehen, dass sie ein
Vielfaches der bestellten Menge mitbrachten und ich schließlich
alle deutschen Bekannten in Kemer zu einem
Advents-Kaffeekränzchen einlud, um die Gaben unter die Leute zu
bringen. Das war natürlich eine besondere Freude für deren
Kinder. Trotzdem tauchten selbst zu Ostern noch Lebkuchen aus
unseren Vorratsecken auf.
Wir möchten uns an dieser Stelle
wieder einmal ganz herzlich bei allen Freunden und Lesern
bedanken, die sich vor ihrem Urlaub bei uns gemeldet haben und
für uns einkaufen gegangen sind. Sie verhelfen uns nicht nur zu
heimischen Köstlichkeiten sondern entlasten auch unsere
Haushaltskasse, denn was von den gewünschten Dingen hier
angeboten wird, ist oft um ein Vielfaches teurer und das gilt
nicht nur für Getränke aus dem DutyFree Shop, sondern auch für
so alltägliche Dinge wie meine Lieblingszahnpasta.
Damit man uns
damit richtig versteht, haben wir die topaktuellen (17.08.2008)
Preise einiger Waren im Supermarkt (MIGROS) bildlich
festgehalten. Auch das spiegelt wieder, dass die allgemeinen
Lebenshaltungskosten hier höher sind als in Deutschland.
Natürlich reißen wir uns nicht um deutsche Gurken der
„Oberklasse“ aber andere gibt es nicht, so dass es, wie früher
„drüben“ üblich, weitaus günstiger ist selber Einzukochen. Das
geht soweit, dass Ölsardinen und selbst Mandeln (Türkei ist
Erzeugerland!) aus Deutschland mitgebracht, weitaus günstiger
sind als hier gekauft. Natürlich kennen wir daher auch einen
wesentlichen Grund, warum sich die Zahl hier resident lebender
Ausländer stetig verringert hat und die Mär von Zehntausenden
z.B. in Alanya lebenden Deutschen seit langem nicht mal mehr als
Gerücht standhalten kann.

Der
Wechselkurs der Lira zum Euro ist nun Mitte August 2008 wieder
auf 1,73 YTL für einen Euro gefallen und damit genauso niedrig
wie vor 6 Jahren, trotz offiziell zugegebener Inflation von etwa
10% im Jahr. Dazu hatten wir schon Anfang dieses Jahres ausführlich berichtet (Leben
in der Türkei Teil 1).

Zum guten Ende
hier noch die Meldung, dass mein täglicher Liter frisch
gepresster Orangensaft deutlich billiger ist als Joes halber
Liter EFES. Auch heute (18.08.2008) gab es auf dem Markt in
Kemer noch Saftorangen für nur 1 YTL das Kilo. Dazu kommt, dass
ich den Saft gut gekühlt an meinem Rechner serviert kriege. So
wird die "Webmasterin" bei guter Laune gehalten!
Weitere Themen zum "Leben in
Kemer":
Leben in der Türkei Teil
1
Ausländer-Meldestelle in Kemer
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Deutscher TÜV für türkische Autos
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2007)
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