
„Straßen-Wahlkampf“

Vorab die wichtige Anmerkung, dass
wir uns in den kommunalen Wahlkampf nicht einmischen. Das
verbietet sich aufgrund des fehlenden Wahlrechts von selbst. Da
wir jedoch unmittelbare Augenzeugen sind und mit seinen
Auswirkungen direkt konfrontiert werden, legen wir großes
Augenmerk auf eine weitgehend wertfreie Berichterstattung!

In der Türkei finden Ende März
2009 Kommunalwahlen statt. Da es hierbei um die Bürgermeister
der Gemeinden geht und damit um zahlreiche Entscheidungen,
welche den Bürger ganz direkt betreffen (Schulen, Straßenbau,
Posten etc.), interessieren sich die Einheimischen viel mehr für
diese, als z.B. für Parlamentswahlen. So ist das natürlich auch
bei uns. Und weil das ehemals unabhängige Dorf Kuzdere seit
Anfang 2009 in die Stadt Kemer eingemeindet wurde, werden die
neu hinzugewonnenen Wahlberechtigten ganz besonders von den
Bürgermeisterkandidaten der Stadt Kemer umworben. Stellt Kuzdere
doch fast ein Drittel aller Wähler und könnte wahlentscheidend
sein.

Während in anderen Teilen der
Türkei einigen Kandidaten urplötzlich Hilfsfonds für bedürftige
Familien zur Verfügung stehen, so dass man dort kostenlose
Waschmaschinen, Kühlschränke, Kohlen usw. verteilen kann, findet
hier bei uns eher ein „Straßen-Wahlkampf“ statt.

Die erste Runde begann bereits im
November 2008. Da wurden in Kuzdere einige Straßen mit einer
neuen Schicht Teer und Split versehen (siehe
hier).
Allerdings war das Ergebnis nicht sonderlich überzeugend und der
andauernde Winterregen tat sein übriges. Auch vor unserem Haus
klafften bereits nach drei Monaten wieder große und tiefe Löcher
im Straßenbelag.

Das bekommen natürlich auch die
Wahlkämpfer, die täglich mit ihren bunt beklebten Fahrzeugen
durchs Dorf rollen und die Einwohner nach deren Wünschen fragen,
zu hören. Mal ist es der desolate Zustand der Dorfstraßen, dann
unzureichende Versorgungsleitungen, fehlende Kinderspielplätze
usw., halt ständig neue Probleme, die während der Zeit als Dorf
nicht gelöst worden sind.

So wurde jetzt die
Hauptverkehrsader des Dorfes aufgerissen, schnell noch ein neues
Trinkwasserrohr verlegt und ein Stückchen freien Landes
(Staatsbesitz?) mit einer Mauer eingefasst. Hier soll der erste
„Stadtpark“ in Kuzdere entstehen. Auch „Asfalt“ (hier ein
dehnbarer Begriff für eine befestigte Straße) wurde versprochen.
Wir glaubten noch nicht daran, selbst als vor ein paar Tagen der
„Schneepflug“ durch unsere Straße fuhr und die Piste wieder
einmal glättete und ein wenig verbreiterte.

Doch vorgestern (12.02.2009)
rückten die Straßenbaumaschinen am Morgen an und gegen Mittag
ging es dann so richtig los. Eine 5 cm dicke Schwarzdecke wurde
als Belag aufgebracht. Diese beginnt direkt an unserem Haus, so
dass wir einen Logenplatz für unsere Aufnahmen hatten, die wir
in einer
Diashow zusammengefasst haben. Später folgt vielleicht auch
noch die ein oder andere Videosequenz.

Die neue, wirklich glatte Straße
ist natürlich ein großer Fortschritt, vielleicht sollte doch
öfter Wahlkampf sein! Anmerken müssen wir noch, dass es uns im
ehemaligen Heimatdorf in Deutschland ziemlich genauso erging,
kaum waren wir von der benachbarten Kreisstadt eingemeindet,
wurden neue Straßen gebaut. Auch davon haben wir natürlich ein
paar Bilder parat.

Wir danken den Wahlkämpfern und
den fleißigen Straßenbauarbeitern ausdrücklich und versichern,
dass uns weder „Pling“ noch Straßenlärm und Staub fehlen werden.
Dabei hoffen wir jedoch inständig, dass die neue „Piste“ nicht
zu sehr von Rasern missbraucht wird, denn solche gab es leider
auch schon auf der alten Straße.

Für Insider hier noch eine Art
Fazit:
Nach etlichen Jahren mit süßem
„Zuckersirup“ wird in Kemer vielleicht eine „Rosenrevolution“
stattfinden. Dazu passt das türkische Sprichwort - „Esse Zucker
und rede süß“, man kann daran ein deutsches anschließen - „Auch
Rosen haben Dornen“. |