
Ferienstadt Kemer
Spricht
man in der Türkei von einem Feriendorf meint man eine
abgeschlossene Clubanlage, wo alles auf das Wohlbefinden der
Gäste hin ausgerichtet ist. Unser Kemer von heute ist eine
„ausgewachsene“ Ferienstadt mit unzähligen Hotels und
Pensionen. Das war früher ganz anders. Kemer war ein kleines
Fischerdorf ohne Straßenverbindung nach Antalya. Wie mir Arif,
der selbst in Kemer geboren und aufgewachsen ist, erzählte,
mussten noch in den 60er Jahren alle landwirtschaftlichen
Erzeugnisse, wie Orangen, Sesam oder Mais, per Boot nach Antalya
auf den Markt gebracht werden. Die Boote - kleine, offene
Nussschalen - wurden immer rand-vollgeladen und damit die Wellen
nicht reinschwappten, steckte man in die Schiffswand senkrechte
Holzstangen, zwischen denen wasserfeste Planen gespannt wurden.
Kam unterwegs zu viel Wind auf und brachte größere Wellen,
musste man die Ladung oder Teile davon über Bord werfen, um
nicht unterzugehen.
Wenn die
Boote nachmittags wieder in der heutigen Moonlight-Bucht
anlegten, rannte er mit allen anderen Dorfkindern an den Strand,
um zu sehen, was sie mit zurück gebracht hatten. Manchmal sahen
sie dann blondhaarige Leute in den Booten sitzen und die Kinder
liefen schnell zu den beiden Teehäusern, um allen Männern zu
zurufen: "Turist geldi! Turist geldi!" (Es sind Touristen
gekommen!). Dann versammelten sich auch alle Männer am Strand.
Da es noch keinen Anlegesteg gab, musste ein besonders großer
Dorfbewohner die Touristen an Land tragen. Da standen sie nun,
hier die Türken und da die blonden Touristen und staunten sich
an. Keiner sprach die Sprache des anderen. Man holte den
Ortsvorsteher, Muhtar Ali, der hatte eine wichtige Entscheidung
zu treffen. Alle wollten nämlich die Fremden in ihrem Haus
beherbergen, aber Ali bey entschied wohl eher zugunsten von
Mehmets Familie, weil die ein etwas besseres Haus hatten,
welches den Touristen eher angemessen schien.
Am
nächsten Morgen standen die Kinder natürlich wieder alle vor
Mehmets Haus. Der hatte inzwischen von den Nachbarn mehrere Esel
ausgeborgt und organisierte eine kleine Karawane in die Umgebung
(Anfänge der Tagestouren und Jeepsafaris...?), für die Fremden.
Es wurde viel gelacht und die Touristen machten jede Menge
Fotos. Wenn die Fremden dann für die Gastfreundschaft bezahlen
wollten, wurde das heftig abgewehrt, es war doch schließlich
eine Ehre (und wohl auch willkommene Abwechslung) die Reisenden
zu bewirten. Und das obwohl sie kaum Geld hatten, die salzigen
Wiesen am Meer taugten nicht viel und wurden an die Töchter
vererbt, die Söhne erhielten das fruchtbarere Land am Fuß der
Berge oder auf den Almen (Yaila). Als dann der Tourismus mit
voller Wucht über die Gegend hereinbrach, änderte sich das
schlagartig. Auf einmal waren die dem Meer nahen Grundstücke
Gold wert. Aus dieser Zeit stammt der Spruch: "Kemer'in damatlar
zengin!" (In Kemer werden die Schwiegersöhne reich!) Nach dem
Club Med entstanden erste Hotels und Pensionen, sowie
Ferienhäuser für türkische Familien, die den Sommer am Meer
verbringen wollten.
1980 hatte
Kemer 2.700 Einwohner, im Jahr 2000 waren es nach offiziellen
Angaben 17.255, aber nach der Volkszählung von 2007 sank
die Zahl plötzlich auf 11.800, durch die Eingemeindung von
Kuzdere und weitere Zuzüge stieg die Zahl im Jahr 2010 auf über
20.000, dazu kommen aber bestimmt noch
einmal doppelt so viele Saisonarbeiter mit ihren Familien. Sie
sind alle vom Tourismus abhängig, es gibt mittlerweile über
120.000 Hotelbetten in der gesamten Region und pro Bett kann man etwa
einen Arbeitsplatz rechnen.
Viele Hotelmitarbeiter wohnen allerdings in Antalya, da in Kemer
nicht nur die Mieten sondern sogar das tägliche Brot teurer ist.
Die Saison
dauert von Mai bis Oktober, Hauptsaison ist von Mitte Juni bis
Anfang September. Vor vier Jahren hatten noch zahlreiche Hotels
ganzjährig geöffnet und boten preiswerte
Überwinterungsmöglichkeiten für Ruheständler, Kongresstourismus
und auch immer öfter Wellnessurlaub oder besondere
Sportmöglichkeiten (z.B. Wintertraining für Fußballmannschaften)
an. Inzwischen schließen aber fast alle Hotels (95%) in Kemer im Winter, die Konkurrenz in anderen Ferienregionen ist zu
stark. Orte wie Beldibi, Camyuva oder Tekirova fallen von
November bis April in eine Art Winterstarre.
Um Fehler
wie in Italien und Spanien zu vermeiden wurde die Region Kemer
mit Unterstützung der Weltbank geplant entwickelt, die Bauhöhe
begrenzt sowie Kanalisation und Straßen gebaut. Nach einigen
Jahren wurden diese Einschränkungen aber immer mehr aufgehoben
und so findet man in der Region jetzt auch immer mehr große
Hotelbauten. Die Straße von
Antalya über Kemer bis nach Kumluca war dem starken Verkehr
schon bald nicht mehr gewachsen und wird seit 1990 ständig
ausgebaut und verbreitert. Inzwischen ist sie weitgehend
vierspurig, mit zwei getrennten Fahrbahnen in jeder Richtung.
Dazu mussten wortwörtlich Berge versetzt werden. Das Stück
zwischen Antalya und Beldibi war (bis auf die Tunnelstrecken)
auch im Herbst (2004) schon mal vierspurig offen, doch nach dem
ersten heftigen Regen kam der Berg wieder auf die neue Straße
runter. Die Neigung der Böschung war viel zu steil und ohne
zusätzliche Befestigung nicht zu halten. 2005 hat man dann
wieder lange an der Straße gebaut, die Böschungen abgeflacht und
nun rollt der Verkehr. Im April 2010 wurden die drei Tunnel auf
der Strecke Antalya-Beldibi dem Verkehr übergeben, damit ist die Fernstraße D-400 zwischen Antalya
und Kemer komplett vierspurig ausgebaut.
Nach Kemer
hinein führen von der Hauptstraße drei breite Straßen: Der
Atatürk Boulevard führt parallel zum Meer vorbei an zahlreichen
neuen Hotels, die erst nach 2000 entstanden, bis zur Post und
dem Uhrenturm (ehemaliger Busbahnhof) und dann weiter durch die
Stadt. Ganz am anderen Ende kann man auf einer schmaleren Straße
über den Berg bis zum Ortsteil Kiris durchfahren. Der zweite
Abzweig von der Hauptstraße mit einem neuen Kreisverkehr, statt
der alten Unterführung, führt links nach Kemer und rechts
(Bergseite) am neuen Busbahnhof vorbei nach Aslanbucak. Das
Gewerbegebiet wurde inzwischen nach Kuzdere umgesiedelt. Dort
gibt es zahlreiche Autowerkstätten, Schmieden, Schlosser und
Schreinereien. In kleinen Betrieben wird fast alles repariert,
hergestellt oder verkauft, was man so braucht. Nachdem Kemer das
ehemalige Dorf Aslanbucak eingemeindet hatte, wurde mittendurch
eine breite vierspurige Straßentrasse geschlagen. Entlang dieser
Straße entstehen nun täglich neue große Häuser mit Läden im
Erdgeschoss und Wohnungen in den Obergeschossen. Wir schätzen,
dass dort heute (2009) an die 10000 Leute Platz haben.
Kamen in
den ersten beiden Jahrzehnten die Hotelangestellten meist als
Saisonkräfte nach Kemer, so lassen sich jetzt immer mehr mit
ihren Familien direkt in der Stadt und deren Umgebung nieder. So
entsteht in atemberaubendem Tempo ein völlig neuer Stadtteil mit
vierstöckigen Apartmentgebäuden. Tag und Nacht sind die
Betonpumpen im Einsatz, nach 3-4 Monaten sind die Wohnungen
bezugsfertig. Bauunternehmen klotzen Ferienhausanlagen in die
früheren Orangenhaine und hoffen sie möglichst teuer an
gutbetuchte Ausländer verkaufen zu können. Ein Ende dieser
Bautätigkeit ist nicht abzusehen. Neben den Touristen gibt es
also auch immer mehr Einwohner, die das ganze Jahr in Kemer
leben. In Folge werden Schulen und Moscheen gebaut, neue
Geschäfte für den täglichen Bedarf und besonders für
Baumaterialien entstehen. In Aslanbucak steht ein großer
Hochzeitspalast (1200 Sitzplätze - mit dem Charme einer
Lagerhalle) um den Einheimischen eine erschwingliche Möglichkeit
für die hier üblichen Feiern mit Hunderten von Gästen zu geben.
Der dritte
Abzweig führt an einer Ampelkreuzung links nach Kemer (vorbei am
MIGROS Supermarkt), deshalb auch oft Migros-Straße genannt und
rechts nach Aslanbucak und schließlich über den Fluss weiter
nach Kuzdere.
Wer ein
Hotel direkt in Kemer hat, kann innerhalb der Stadt fast alles
bequem zu Fuß erreichen. Liegt das Hotel außerhalb, also in
Göynük, Beldibi, Kiris, Camyuva oder Tekirova, erreicht man
Kemer am Besten mit den Dolmus (sprich Dolmusch) genannten
Kleinbussen. Konnte man früher von überallher direkt zum Otogar,
dem Busbahnhof im Zentrum von Kemer fahren, so ist das seit
Dezember 2005 leider nicht mehr der Fall. Der Busbahnhof wurde
abgerissen. An dieser Stelle steht heute ein weißer Uhrenturm,
der nicht nur uns sehr an einen Kirchturm erinnert. Die
Dolmusche stehen jetzt irgendwo in den Nebenstraßen rund um
diesen Uhrenturm. Die überregionalen Busse nach Kumluca, Demre
aber auch Ankara und Istanbul fahren vom neuen Busbahnhof nahe
der D-400 ab.
Hinter dem
Postamt (PTT) von Kemer liegt der zentrale Marktplatz
(Bazar) von Kemer, wo jetzt immer montags der Obst- und
Gemüsemarkt abgehalten wird. (siehe auch
Einkaufen>Basar)
Dienstags gibt es südlich der Hafenstraße einen großen
Textilmarkt.
Vom
zentral gelegenen Meydan in Kemer (der
Platz mit dem Uhrenturm) aus nach rechts findet man zahlreiche Geschäfte, die
Gold, Taschen, Teppiche oder Lederwaren anbieten, dazwischen auch
einige Wechselstuben und Banken. Die
Liman Caddesi
(Hafen-Straße) ist eine Fußgängerzone und die bekannteste
Einkaufsmeile von Kemer. An deren Ende kommt man durch einen
Park bis ans Meer. Noch weiter südlich liegt zwischen der Marina
und dem Moonlight-Park, auf einer kleinen Halbinsel, ein
Freiluft-Heimatmuseum. Dort wird in Zelten aus Ziegenhaar das
Leben der Nomaden (Yörük) dargestellt. Von der Marina bis zur
Flussmündung kann man auf einer Standpromenade
etwas oberhalb des Ufers entlang flanieren. Besonders nachts
herrscht hier Hochbetrieb. Neben der ausgelassenen Stimmung
sorgt auch das eindrucksvolle und abwechslungsreiche Panorama
für Urlaubshochgefühle.
Wenn sie
mehr von der wunderschönen Umgebung von Kemer oder der Türkei
sehen wollen, gibt es viele Möglichkeiten dahin zu gelangen. Sie
können sich in die Hände eines Reiseführers begeben und an einer
organisierten Tour teilnehmen. Sie können sich aber auch mit den
verschiedensten Verkehrsmitteln selbst auf den Weg machen. Für
weitere Informationen dazu klicken Sie auf einen der Links unter
der Rubrik Transport. Aber bedenken Sie immer, das der Verkehr in der Türkei
ganz anders sein kann, als Sie es gewohnt sind.
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